08.02.09, 58 km
Wiederum bei herrlichem Wetter ging es heute weiter, zuerst der Küste vom Lago Nahuel Huapi entlang. Dabei konnte ich mich dann auch an das neue Gefühl beim Treten gewöhnen und Vertrauen fassen. Als ich dann Llao Llao erreichte, ging ich auf den Circuito Chico – ein Rundkurs, welcher an den Seen Nahuel Huapi, Moreno Oueste und Moreno Este vorbeiführt.
Beim Start zu diesem Rundkurs gibt es auch ein Geschäft, welches Velo vermietet. Diese Strecke per Rad zurückzulegen ist bei Touristen offenbar beliebt. Für Anfänger beurteile ich diese Strecke aber für ziemlich ungeeignet: ständige steile Anstiege und Abfahrten sowie viel Auto- und Busverkehr. Immerhin ist die Strasse asphaltiert und bietet natürlich immer wieder atemberaubende Ausblicke. In den Abfahrten habe ich immerhin 6 solche Touris überholt – bergauf waren sie ohne Gepäck auch nicht schneller als ich...
Auf der Runde habe ich noch einen Abstecher nach Colonia Suiza gemacht. Diese Siedlung wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Schweizer Auswanderer aus Saxon gegründet, und bald folgten dann andere Schweizer nach. Es waren daher einige Schweizer und Walliser Flaggen auszumachen. Obwohl Februar ist, habe ich aufgrund der hohen Temperaturen aber nicht wirklich Lust auf ein Käsefondue verspürt... Dafür habe ich dann aber Schokolade gekauft. Ich muss allerdings anführen, dass ich zur Cabsha-Schokolade nicht einen sooo grossen geschmacklichen Unterschied feststellen kann, welcher den wesentlichen Preisunterschied rechtfertigen kann. Da bin ich doch froh, dass ich mich in den letzten Tagen mit einigen Tafeln Schokolade eingedeckt habe, denn in Argentinien gibt es für mich weltweit die beste weisse Schokolade (viiiiel besser als der Osterhasen-Schoggi, den ich in der Schweiz am liebsten mag). Das hilft dann vielleicht auch, dass ich dann nach der Radtour ein bisschen weniger Schokolade essen werde als mein aktueller „Verbrauch“...
09.02.09, 50 km
Wie auf dem Ticket angegeben war ich um 8 Uhr am Hafen von Puerto Pañuelo. Dorthin war es ja nur knapp 1 Kilometer bergab vom Hotel, was ich in 3-4 Minuten schaffte. Die Überfahrt nach Chile machte ich aber nicht als einziger Radfahrer, denn ein Japaner (seit fast 2 Jahren schon unterwegs, vielleicht reicht das Geld nach Südamerika noch für Afrika...) und ein Deutscher (3 Wochen Urlaub, heute der erste Tag auf dem Rad) standen auch schon da. Das Gepäck wurde in den Katamaran verladen und die Räder an die Reling gebunden. So fuhren wir dann über den Lago Nahuel Huapi ca. 1.5 Stunde nach Puerto Blest. Von dort aus gings für 3 Kilometer mit dem Fahrrad zum Lago Frías – ganz schön wacklige Sache ohne stabilisierende Ladung...
Nach der 20minütigen Fahrt über den Lago Frías holte ich mir den argentinischen Ausreisestempel in den Pass, bevor es per Fahrrad wieder weiterging (diesmal mit Gepäck). Als ich das Gepäck entgegennahm, musste ich allerdings feststellen, dass mein Gummizug fehlte. Dieser schaffte es wohl nicht, vom 1. Boot aufs zweite zu kommen. Mit diesem Gummizug habe ich seit Torres del Paine eine der Seitentaschen fixiert, an welcher die Halterung gebrochen ist. Nun muss diese Aufgabe ein dünner Strick übernehmen, was auch ganz gut zu funktionieren scheint.
27 Kilometer sind es bis Peulla, davon die ersten 3 teilweise steil bergauf. Doch der Rest war dann nur noch bergab, ca. 700 Höhenmeter vernichten. Vom vielen Bremsen bekamen wir fast einen Krampf in den Fingern – doch das war sicherlich nichts im Vergleich zu dem, was die beiden Däninnen durchmachten, die wir am Lago Frías getroffen hatten. Die fuhren nämlich da hoch!
Wir konzentrierten uns derweilen nicht nur auf die Schotterstrecke, sondern auch auf die Umgebung: herrliche Blumen, dichter Wald, und das gewaltige Massiv vom Monte Tronador ist eine kleine Auswahl von dem, was unser Auge erfreute. Erstaunlicherweise gibt es auf chilenischer Seite 2 Grenzstationen: die erste ist am Fusse der steilen Felswand, die andere 15 Kilometer weiter in Peulla. Bei der ersten wird nur der Pass kontrolliert, den Einreisestempel erhält man dann erst bei der zweiten. Komische Sache...
Eigentlich hatte ich vor, eine Nacht in Peulla zu verbringen und erst morgen die letzte Schiffspassage über den Lago Todos los Santos nach Petrohué zu bewältigen. Da es aber wunderschönstes Wetter war, habe ich dann die heutige Etappe verlängert – wäre ja schade, wenn ich morgen dann bei schlechtem Wetter (man weiss ja nie!) die herrlichen Ausblicke auf die Berge und Vulkane um den See herum verpasst hätte! Ab Petrohué waren es dann noch 16 Kilometer nach Ensenada, wo ich ja schon vor 2 Wochen übernachtete. Das Hospedaje, wo ich damals logierte, war bereits voll, aber ein Haus weiter habe ich dann im nächsten Hospedaje ein Zimmer bekommen. So ging ich dann schnurstracks unter die Dusche, denn es war ja schon beinahe 20 Uhr, und ging dann ins selbe Restaurant wie vor 2 Wochen. Diesmal hatte ich die Kamera dabei, so dass ich diesmal vom glühenden Osorno Fotos schiessen konnte. Keine Angst, der Vulkan Osorno glühte nicht, weil er auszubrechen drohte, sondern wegen dem Sonnenuntergang, welcher die Eiskappe rötlich färbte.
10.02.09, 86 km
Glücklicherweise habe ich gestern nachmittag noch die Bootsfahrt von Peulla nach Petrohué gemacht, denn heute wäre diese nicht halb so schön gewesen. Am Morgen war es stark bewölkt, und der Osorno war überhaupt nicht zu sehen.
Vor zwei Wochen fuhr ich am Südufer vom Lago Llanquihue entlang, heute fuhr ich dem Ostufer entlang, welches vom Vulkan Osorno begrenzt wird. Als ich nach 20 Kilometern Las Cataratas erreichte, hatte ich dann zwar wieder Asphalt unter den Rädern, doch dafür begann es zu tröpfeln – und bald darauf zu regnen. Da ich hoffte, dass das bald vorüber ist, fuhr ich weiter. Es hörte dann tatsächlich rasch auf – doch wenig später kam dann der richtige Regen, welcher bis auf die Knochen durchdrang. Wegen den warmen Temperaturen habe ich nämlich auf Regenkleidung verzichtet. Da es wenig Spass macht, im Regen herumzufahren (und ich sowieso nichts sehen konnte), habe ich in Gedanken mein Tagespensum verkürzt und mich nicht mehr auf Entre Lagos konzentriert, sondern auf Puerto Octay, welches am Nordwestufer vom Lago Llanquihue liegt. Als ich dann die Abzweigung nach Entre Lagos sah, musste ich dies aber nochmals überdenken: Puerto Octay 19 Kilometerv (Asphalt), Entre Lagos 38 Kilometer (Schotter).
Ich setzte mich an der Bushaltestelle ins Trockene und ass zu Mittag. Frisch gestärkt fasste ich dann meinen Entschluss, zog die Regenbekleidung an und fuhr auf Schotter weiter. Die Regenkleidung anziehen war eine ganz gute Idee, denn der Regen hörte dann augenblicklich auf und die Sonne zeigte sich. Nach 10 Kilometern wurde es mir daher viel zu warm und ich zog die Regenkleidung wieder aus. Prompt begann es dann wieder zu nieseln... Nach weiteren 10 Kilometern auf einer schnurgeraden Schneise durch den Wald hörte dann der Regen definitiv auf, und es trocknete unglaublich rasch ab – wobei es auch sein könnte, dass es da ein wenig nördlicher überhaupt nicht geregnet hat, denn ich wurde augenblicklich eingestäubt, wenn Fahrzeuge vorbeifuhren!
Es kam dann eine Abfahrt zu einem weiteren See (dem Lago Rupanco), welche immer steiler wurde. Zu spät zog ich da die Bremsen, erwischte eine Bodenwelle, und als mein Vorderrad wieder Bodenkontakt hatte, traf es einen grossen Stein, welcher bis auf die Felgen durchschlug. Zum Glück leitete ich dann sofort eine Vollbremsung ein, denn im Nu war die Luft aus dem Reifen raus – der erste Platten seit 5‘000 Kilometer! Als ich den neuen Schlauch aufpumpte, erhöhte ich gleich den Reifendruck. Es sind ja nur noch 16 Kilometer bis Entre Lagos, wobei die letzten Kilometer die Strasse in einem guten Zustand war, und dann folgen ja zwei Tage auf Asphalt. Von solchen Experimenten werde ich zukünftig aber wohl die Finger lassen, denn in der Folge schüttelte es mich kräftig durch...
In Entre Lagos angekommen fand ich eine Touristeninformation mit einem Faltprospekt der Hospedajes, Hotels und Cabañas. Ich klapperte alle Hospedajes ab, doch alle waren ausgebucht. Was ist hier los? Sommerferien? Da die Hotels superteuer sind, versuchte ich es dann bei einem Cabaña. Der Eigentümer sagte mir dann, dass diese für 6 Personen Platz bieten und 40‘000 Pesos kosten würden, was sicherlich viel zu viel kosten würde (immer noch wesentlich günstiger als die Hotels). Er hat aber einen Kollegen, welcher eine Dependencia vermietet – die war dann auch frei und habe ich auch für 10‘000 Pesos bekommen. Nun habe ich wieder eine Wohnung mit Bett, Küche und Bad, und das genau gegenüber der Touristeninformation, wo ich eine Stunde vorher meine Suche begann...
11.02.09, 111 km
Nachdem sich am Morgen früh noch kurz die Sonne gezeigt hatte, versteckte sie sich bereits nach einigen Minuten wieder hinter den Wolken – und ward in Chile nicht mehr gesehen...
Die ersten 20 Kilometer waren noch flach dem Lago Puyehue entlang, wo ich noch richtig Tempo bolzen konne. Dann ging es zwar weiterhin dem See entlang, doch es waren immer wieder längere Steigungen zu erklimmen. Auch als ich dann den See hinter mir gelassen hatte, hatte es immer wieder kleine Abfahrten drin, auf denen ich die erarbeiteten Höhenmeter wieder hergeben musste. Immerhin hatte ich bei der Mittagspause nach 45 Kilometern einen feinen Ausblick auf den Salto de Novios, wo das Wasser über die Felsen hinunterstürzte.
Als ich 5 Kilometer später die chilenische Zollstation erreichte, war ich immer noch auf 400 Meter unten, hatte netto also erst 200 Meter gewonnen. Aber mein Velocomputer zeigte an, dass ich brutto schon fast 600 Höhenmeter gesammelt habe. Zudem wusste ich, dass es bis zur chilenisch-argentinischen Grenze noch 21 Kilometer sind, und diese auf 1‘300 Meter oben liegt – da steht mir also noch etwas bevor!
Gleich nach der Zollstation ging es dann tatsächlich kräftig hinauf, wobei es bis zum Gipfel überhaupt keine Aussichtspunkte gab. Der Wald war hoch und dicht an der Strasse, so dass es fast wie durch einen Tunnel hochging. Ich schaltete den Computer wieder auf Höhenanzeige um, und als ich 800 Meter erreichte, überholte ich ein Pärchen mit ihren bepackten Fahrrädern (die sind aber leichter unterwegs als ich). Kurz vorher sah ich sie noch schieben, nun machten sie nach ein paar hundert Metern Fahrt eine Pause. Ich grüsste kurz, rief ein „Suerte“ und fuhr weiter, denn ich hatte gerade ein gutes Gefühl in den Beinen, was ich ausnutzen musste.
Später oszillierte ich dann für ein paar Kilometer um die 1000 Meter-Anzeige herum, bevor es zum finalen Anstieg ging. Es ging da aber nicht um ein paar wenige Meter darunter oder darüber, sondern in einem Bereich von -30/+40 Metern, was dann schon zermürbend ist. Oben angekommen, auf 1321 Meter über Meer (mein Velocomputer zeigte mit 1292 Meter nur unwesentlich weniger an,) zeigte sich dann auch die Sonne wieder, welche dann die ganze Zeit schien. Hat deshalb Argentinien eine Sonne in der Flagge und Chile nicht? Jedenfalls gefiel mir dann die Abfahrt viel besser als der Aufstieg. Nicht nur, weil ich nicht mehr treten musste, sondern weil man auch etwas sehen konnte. Steile Felswände ragten da in den Himmel, nur war leider ein ganz bizarr geformter Berg hinter einer Nebelwolke verschleiert, so dass nur der Sockel ersichtlich war.
Nach 16 Kilometer Abfahrt erreichte ich dann die argentinische Zollstation, und die war hoffnungslos überfordert. Die wartende Autoschlange war 500 Meter lang, woran ich natürlich vorbeifuhr – die haben ja auch nicht hinter mir gewartet, als ich bergauf fuhr! Vor der eigentlichen Zollstation wurde mir von einem Grenzwächter noch ein Zettel in die Hand gedrückt, wo die Anzahl Personen und die Fahrzeugart vermerkt wurden. Dann ging es zur Migración, und nach 15 Minuten hatte ich den Einreisestempel im Pass. Von dort wurde ich zur Aduana geschickt. Ich wusste zwar nicht warum, denn Fahrräder müssen nicht wie Motorfahrzeuge mit Formularen dokumentiert und abgestempelt werden, doch das 30minütige Schlangenstehen für einen Stempel auf das Zettelchen (Wo ist das Formular? – Ich reise per Fahrrad. – Ok – Kawumm – der Nächste!) hat sich gelohnt. Einen Kilometer nach der Grenzstation war eine Kontrolle, wo die Zettelchen eingesammelt wurden. Und wer nicht die Stempel von Migración UND Aduana drauf hatte, musste wieder umkehren – so wie ein argentinischer Autofahrer vor mir...
Noch etwas mehr als 20 Kilometer waren es bis Villa La Angostura, und ich hatte ein ungutes Gefühl, welches rasch bestätigt wurde. Ich war mittlerweile auf unter 800 Meter hinuntergefahren – auf dieser Höhe schätzte ich aber mein Tagesziel. Bald ging es dann tatsächlich in mehrere Gegensteigungen jeweils wieder auf über 900 Meter hinauf. Da spürte ich dann nicht nur die bereits zurückgelegte Distanz und die bewältgten Höhenmeter, sondern auch, dass ich am Zoll 45 Minuten lang meine Beine in den Bauch gestanden habe. War das eine Schinderei!
Als ich die Abzweigung nach San Martín de los Andes sah, hoffte ich, dass es nun endlich flach weitergehen würde. Aber nichts da: ein ständiges auf und ab, so dass ich nicht nur heute etwas davon habe, sondern auch morgen...
11.02.09, 108 km
Heute machte ich mich auf den Weg nach San Martín de los Andes. Diese Strecke wird auch Ruta de Siete Lagos genannt, da die Strasse an sieben grossen Seen vorbeiführt. Eine treffende Bezeichnung wäre meiner Meinung nach auch „Strasse der 1000 Himmel und Höllen“! Die Seen, Berge und Wälder sind unbeschreiblich schön, was den Himmel-Teil abdeckt. Aber eben...
Nachdem ich die 8 Kilometer zurück zur Abzweigung hochgefahren bin, folgten 47 Kilometer Schotter- und Erdpiste. Auf den Schotterabschnitten hatte es nicht nur zu einem grossen Teil Rippen und Schlaglöcher, sondern auch fiese Kieselsteine, die locker auf der Strasse lagen. Und wenn ein Fahrzeug vorbeifuhr, was sehr häufig der Fall war, wurde viel Staub aufgeworfen – manchmal konnte man da kaum mehr die Hand vor Augen sehen! Die Erdpiste dann war zu einem grossen Teil bewässert, so dass ich mich nicht um zuwenig Bodenhaftung Sorgen machen musste, und war manchmal auch mit einer Sandschicht bedeckt. Zudem ging es ständig steil bergauf und bergab. Nach den über 2‘000 Höhenmetern gestern erkletterte ich heute wieder mehr als 1‘500 Meter. Die Sonne brannte auch unerbärmlich, was den Wasserverbrauch wieder stark in die Höhe trieb (Ok, lieber Hitze als Regen...).
Als dann endlich wieder Asphalt kam, ging es bedeutend schneller vorwärts, doch dafür kam der Wind aus verschiedenen Richtungen – manchmal schön von hinten, manchmal aber auch stark bremsend von vorne. Von meinem Handbuch wusste ich, dass es die letzten 15 Kilometer hinuntergeht, doch davor waren nochmals 7 Kilometer bergauf angesagt, bis ich den Kulminationspunkt auf 1‘230 Meter über Meer erreichte – San Martín de los Andes liegt dann auf etwas mehr als 700 Meter. Dort musste ich dann leider feststellen, dass die Kontaktlinsen nicht angekommen sind und immer noch in Ushuaia weilen. Vielleicht klappt es dann in Junín de los Andes...
San Martín de los Andes, 12.02.2009
Gesamtkilometer: 9494







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